18. September 2017

Der Platz der Frau

Seit Tagen denke ich immer wieder darüber nach, und je näher der nächste Sonntag rückt desto mehr Platz nimmt das Thema in meinen Gedanken ein. Es geht um die Wahl. Es geht um unsere Zukunft. Es geht um meine Stimme.

IMAGE: HAYLEY GILMORE

Bleiben wir neutral: jeder kann wählen wen er will. Jeder kann entscheiden ob er wählen geht oder nicht. Das ist Demokratie. Dieses Recht gibt es für jeden in unserem Land, wenn auch für uns Frauen erst seit 99 Jahren.

Und jetzt werden wir persönlich, denn ich möchte meine Meinung teilen. Nicht zu den Parteien, denn wen ich wähle ist meine Privatsache. Sondern zu den Fragen die ich mir stelle.

Welche Frau wählt eine Partei, die ihr vorzuschreiben wagt ob und wie viele Kinden sie bekommt? Die ihr überhaupt etwas vorzuschreiben wagt? Warum sollte ich demjenigen meine Stimme geben, der die Ansicht vertritt Frauen seien sowas wie Bürger zweiter Klasse und hätten bestimmte Aufgaben zu übernehmen nur weil sie Frauen sind? Was sind "naturgegebene Unterschiede" zwischen Mann und Frau? 

Warum diskutieren Männer mit schwindendem Haaransatz über das Recht auf Abtreibung?

Glaubt wirklich irgendjemand daß die Sicherheit des Einzelnen erhöht wird wenn an allen öffentlichen Plätzen Kameras mit Gesichtserkennung hängen? 

Wie soll ein Mensch sich eine sichere Zukunft aufbauen können wenn seine Arbeitsverträge zeitlich begrenzt sind? Eine Familie läßt sich nicht finanzieren wenn man alle 12 oder 24 Monate wieder vor dem beruflichen Aus steht. Das ist keine freie Marktwirtschaft, das ist Erpressung des Arbeitnehmers.

Warum soll ich Zinsen aus meinem Kapital noch einmal versteuern? Das ist MEIN Geld. Wenn ich es schon schaffe etwas zur Seite zu legen gehört das mir allein.

Die Punkte sind aus den Wahlprogrammen aller großen Parteien entnommen, wie man sieht habe ich mit jeder einzelnen ein Problem oder zumindest meine Zweifel, wie sie das, was sie mir als Wähler versprechen, umsetzen oder finanzieren wollen. Trotzdem muß ich am Sonntag mein Kreuzchen machen. Noch habe ich sieben Tage, um mich mit meiner Entscheidung zu beschäftigen und gut zu überlegen. Sie machen es mir nicht leicht, aber nichts was sich zu haben lohnt fällt einem einfach in den Schoß.

Nicht zu wählen ist übrigens keine Option. Das sollte es auch für euch nicht sein. Werft einen Blick in die Geschichte. Wie viele Menschen sind gestorben für unser Recht, frei unsere Stimme abgeben zu dürfen. Und jeder, der sagt, seine Stimme würde auch nichts ändern, der sei gefragt warum er morgens noch das Bett verlasse wenn er sich und seine Rechte so geringschätzt.

Fakt ist: es ist beschissen anstrengend und nervig, sich eine Meinung zu bilden und zu entscheiden, wem man seine Stimme geben möchte. Vielleicht trifft man nicht die perfekte Wahl. Vielleicht vertritt die Partei, die meine Stimme erhält, nur zu 70% meine Interessen. Oder zu 50%. Oder sie setzen noch weniger von dem um was mir wichtig ist.

Aber wenn ich nicht wähle werfe ich meine Stimme weg. Meine Rechte. Meine Zukunft. Denn dann gewinnen die Arschlöcher. Die sich gern als Protestwähler bezeichnen, um nicht für ihre Überzeugung einstehen zu müssen.

Geht wählen. Gerade weil es die Regierung und die Parteien uns so verdammt schwer machen. Wir haben beide nicht verdient, wir haben etwas besseres verdient. Aber wir müssen dafür kämpfen. Unser Platz am Sonntag ist in der Kabine.